Während ich im Sportstudio auf dem Fahrrad sitze, befinden sich in meiner Blickrichtung vier verschiedene Fernsehapparate nebeneinander. Auf einem der Geräte ist Nicole Scherzinger als Moderatorin zu sehen, die mich dazu anhalten möchte, eine Anti-Pickel-Creme zu kaufen. Ich trage keinen Kopfhörer, also kann ich nur vermuten, was sie sagt.
Auf jeden Fall fährt sie schweres Geschütz auf: Es wird das Bild einer Dame eingeblendet, deren Gesicht in dieser Aufnahme einem Streuselkuchen mit Mohnbelag ähnelt. Schwuppdiwupp, sitzt kurz darauf genau diese Dame neben der Moderatorin im Studio, hat aber plötzlich eine Haut wie Milch und Honig. Auch ohne Ton ist klar: Diese unglaubliche Metamorphose hat sie allein dem wundervollen Produkt zu verdanken, von dem auch Frau Scherzinger schwärmt. Welches sich für nur 59.90 Euro bestellen lässt. Am besten gleich.
Da man aber am besten verkauft, wovon man auch selbst überzeugt ist, gibt die Sängerin und Moderatorin nun auch noch ihr eigenes Erlebnis zum Besten: Auch sie sei schon einmal von Pickeln geplagt worden – was man ihr bei ihrem praktisch lupenreinen Teint jedoch nur schwer abnehmen mag.
Also liefert die Regie den Beweis:
Die Kamera zoomt auf eine Stelle in einem älteren Bild von Nicoles Gesicht. Dort ist unter 67-facher Vergrößerung tatsächlich eine leichte Erhebung zu sehen. Da aber die meisten Zuschauer (zumindest die männlichen) bei Frau Scherzinger eher auf zwei andere Erhebungen schauen würden, sorgt die Regie durch eine dunkle Vignette, Schwarzweißbild und zusätzliche Beleuchtung dafür, dass man dieses katastrophale Drama einer Mini-Rötung auch wirklich nachempfinden kann. Ich komme jedoch nicht mehr dazu, weil mein Blick auf einen der anderen 3 Monitore abschweift.
Auf diesem liefert irgendein Sender mit einem N im Namenskürzel die neuesten Nachrichten. Von Griechenland wird berichtet und darüber, dass sich dort immer mehr Menschen ihr Essen aus dem Müll besorgen. Es folgen Bilder eines Überschwemmungsgebietes in Oklahoma, dann kommt eine Kurzreportage über das Erdbeben in Nepal. Von Tausenden Toten und Millionen Obdachlosen ist die Rede.
Auf dem Monitor daneben führen Frau Scherzinger und ihr Gast das Gespräch fort.
Vielleicht sprechen die beiden gerade darüber, wie schön das Leben sein wird, wenn man eine reine Gesichtshaut hat. Ich stelle mir vor, was wohl passiert, wenn ich die beiden Fernsehgeräte noch näher zu einander stelle. Ob sich die jeweiligen Personen dann wohl miteinander unterhalten können? Vielleicht sagt dann ein Nepalese zu Frau Scherzinger, dass 59 Euro mehr sind, als die meisten seiner Landsleute im Monat verdienen. Und vielleicht gibt Nicole zurück, dass man eben im Leben Prioritäten setzen und für seine Träume und Ziele alles geben muss. Vielleicht hätte dieser Nepalese aber momentan ganz andere Träume und Ziele als eine reine Gesichtshaut . . .
Vielleicht lasse ich die TV-Geräte also lieber dort, wo sie sind.
Falls ich Sie nun betroffen gemacht habe und Sie lieber zu einem anderen Programm bzw. einer anderen Internetseite umschalten möchten – bleiben Sie bei mir. Keine Sorge, dieser Newsletter soll und wird die Welt nicht retten. Außerdem: Vielleicht sind Sie ja der einzige Mensch, der meinen Text hier liest? Schließlich brauche ich Ihre Aufmerksamkeit – bleiben Sie also hier!
Wenn es nicht um die Rettung der Welt oder vom Euro geht – worum geht es dann?
Es geht um Sie. Und es geht um das Wort, dass Sie zwei Zeilen weiter oben bereits gelesen haben. Es geht um Aufmerksamkeit. Darum, worauf Sie Ihre und worauf andere Menschen deren Aufmerksamkeit richten.
Weder denke ich, dass Frau Scherzinger das Schicksal von Nepal egal ist. Noch dass man in Nepal, Oklahoma oder Griechenland wirkungsvolle Schönheitsprodukte ablehnt. Zumindest nicht ständig. Und ob jemand für eine bestimmte Sache spenden, etwas Bestimmtes unterstützen, aufbauen oder kaufen will, wird immer weniger vom Geld alleine abhängig sein.
Natürlich bleibt Geld – in den verschiedensten Währungen – weiterhin ein wichtiger Faktor. Aber der Name der Währung, die – vor allem im Internetzeitalter mit Milliarden von Informationsquellen – immer wertvoller wird, lautet:
Aufmerksamkeit.
Diejenigen Menschen, denen es gelingt, die Aufmerksamkeit anderer für sich zu gewinnen, werden – im Network Marketing, im klassischen Wirtschaftsleben und beim Spendensammeln – die besten Chancen auf Erfolg haben. Wem dies noch nicht so gut gelingt, sollte sich Mühe geben, diese Fähigkeit zu erlangen. Denn ohne die Aufmerksamkeit anderer wird es in der steigenden Flut der Informationen schwer, Menschen über unser Angebot zu informieren. Für jemanden, der sich diese Fähigkeit aneignet, ist Network Marketing jedoch eine einfache und profitable Sache.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Ihr Robert Pauly
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